Buchautor Uwe Hauck: "Ich stehe dazu."

Datum: 10.09.2019 / Ressort: Zumeldung

Uwe Hauck ist Blogger und Autor des Buches "Depression abzugeben". Gerade tourt er mit seiner Tochter und ihrem Buch "Lieber Papa, bist du jetzt verrückt?" durch Deutschland. Für uns schreibt er zum heutigen Welttag der Suizidprävention über seine ganz persönliche Sicht auf das Thema.

 

Ich stehe dazu, dass ich einen Suizidversuch begangen habe. Das verwundert viele. Denn leider ist auch heute noch ein Suizidversuch oder gar ein Suizid etwas, worüber man wenn überhaupt, nur sehr wenig spricht.

Dabei wäre es dringend angeraten, das Narrativ rund um Suizidversuche zu überdenken. Passiert es bei einem Promi, wird gerätselt, kurz Prävention und Aufklärung gefordert (neben dem obligatorischen Satz in allen Artikeln: „Normalerweise berichten wir nicht über Suizidversuche“ und einer Liste von Hilfstelefonnummern) aber das Ganze verläuft sich dann unglaublich schnell. Manchmal wird es noch schlimmer, wenn bei einem Amoklauf der Verdacht einer psychischen Krankheit besteht. Dann wird sehr schnell die Verbindung zwischen der Tat, der potentiellen psychischen Problematik und einem erweiterten Suizid hergestellt.

Wer in einer Lebenskrise ist, die sie oder ihn so sehr belastet, dass Gedanken über Suizid entstehen, der braucht Hilfe, braucht Unterstützung. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, oft ist die Angst vor der Reaktion auf das Bekenntnis so groß, dass sie oder er das lieber mit sich alleine ausmacht.

Wir brauchen dringend einen anderen Umgang mit dem Thema Suizidversuch. Denn nur wenn ich mich nicht vor Repressalien fürchte, wenn eine so tiefe persönliche Krise mich nicht daran hindert, mich mit meinen Gedanken zu öffnen, dann wende ich mich an Hilfseinrichtungen oder die Telefonseelsorge.
Ich sehe den Fakt eines Suizidversuchs nach wie vor mit vielen Vorurteilen und Stigmatisierungen belastet, die uns daran hindern, aktivere Prävention zu betreiben. Und ein Teil davon ist sicher auch noch die weiterhin vorhandene Stigmatisierung psychischer Erkrankungen wie Depression oder Angststörung. Nein, nicht jeder psychisch Kranke ist gleich gefährlich. Es ist sogar so, dass psychisch Kranke eher noch zum Opfer von Mobbing oder Gewalt werden. Wer aber Angst hat vor Ausgrenzung, vor Stigmatisierung, der macht die psychischen Probleme mit sich selbst aus und das kann nur viel zu leicht in einem Suizidversuch enden.

Ich habe keine Formel, keine Lösung für die Frage des richtigen Umgangs. Aber ich habe einen Wunsch und einen Weg, wie wir hier weiter kommen können. Ein runder Tisch von Politik, Medien, Fachleuten und auch von Angehörigen von Suizidopfern und eben auch mit psychischen Problemen Kämpfenden wäre dringend angeraten. Wir brauchen bei dem Thema mehr Offenheit, mehr Geschichten von dem, was mit dem Umfeld passiert, wenn der Versuch gelingt aber und vor allem auch viel mehr positive Beispiele von gescheiterten Versuchen, aus denen die Betroffenen stärker und mit einem positiveren Weg hervorgegangen sind. Denn es gibt nicht nur den Nachahmereffekt, auch Werther-Effekt genannt.

 Es gibt eben auch den Papageno-Effekt, der dann greift, wenn ein Suizidüberlebender aus erster Hand zeigt, dass eine Suizidversuch nichts besser macht, sondern für noch mehr Leid sorgt, gleichzeitig aber auch, dass daraus eine neue, eine bessere Sicht auf das Leben und ggf. die eigene Leidensgeschichte und daraus resultierende neue Lebenswege entstehen können.

Es hat ein paar Tage gebraucht, aber als ich nach meiner Einlieferung in eine psychiatrische Klinik (ein Schritt, den ich hätte viel früher machen sollen, es aber aus Angst und Scham nicht getan habe) auf das Geschehene zurückgeblickt habe, war ich sehr schnell für die Hilfe dankbar UND, dass es nicht geklappt hat.

Und was mir am Meisten geholfen hat, war eine Gespräch mit einer Angehörigen, die ihren Partner durch einen Suizid verloren hatte. Dieses sehr offene, sehr ehrliche Gespräch hat uns beiden sehr geholfen, schon alleine, weil man endlich über das Geschehene sprechen konnte.

Wir müssen die Stigmatisierung durch Verschweigen beenden und gemeinsam nach neuen Wegen des Umgangs mit Suizidgefahren  suchen. Das wird keine leichte Aufgabe, aber eine, die wir endlich angehen müssen, um mehr Suizide zu verhindern und die Angst vor dem Annehmen von Hilfe zu reduzieren.

Denn eins sollte sich jeder klar machen. Sich bei einer psychischen Krise Hilfe zu suchen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein sehr starker Schritt.

 

Hinweis:
Wer Hilfe sucht, findet auch Unterstützung beim Sozialen Dienst der AOK Baden-Württemberg.